Oliver Krautscheid: Eigentümer sind bessere Aufsichtsräte

Stephen Gemkow, Vorstandsvorsitzender von Haniel gibt interessante Perspektiven in seinen Kommentar in der BZ vom 5. April 2013.

„Bei Managementversagen und Unternehmenskrisen geraten zunehmend die Aufsichtsräte in den Fokus. Hier ist der Ruf nach besserer Qualifikation einerseits und mehr Verantwortung und damit auch höherer Haftung andererseits zunehmend lauter.

Offenbar zu Recht: Aufsichtsräte haben die jüngsten Krisen nicht verhindert; sie in manchen Fällen sogar fahrlässig begünstigt. Gerade weil die Anforderungen zunehmend komplexer werden, ist unser Wirtschaftssystem auf professionelle und engagierte Aufsichtsräte angewiesen. Was es nicht braucht, sind „Abnickrunden“, deren Mitglieder ihren Posten als schmückendes Ehrenamt ohne gelebte Verantwortung empfinden.

Heute scheinen sich die Aufsichtsräte ihrer Verantwortung weitgehend bewusst zu sein und bereit, ihr gerecht zu werden. Ein Indiz dafür: Die Frequenz und die Länge der Sitzungen von Aufsichtsräten und ihrer Gremien haben  deutlich zugenommen. Dennoch leidet die Arbeit in vielen Fällen weiterhin – und die Gründe sind pathologisch. Passivität, mangelnde Diskussionskultur und erratisches Wechseln zwischen unterschiedlichen Abstraktionsebenen führen letztlich zu einer mangelhaften Durchdringung der jeweiligen Beschlussvorlage. Insofern ist die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit nach wie vor wichtig. Schade allerdings, dass dabei bislang fast nur an organisatorischen, regulatorischen und sanktionierenden Stellschrauben gedreht wird. So schreibt das BilMoG seit einiger Zeit – zu Recht – einen „Financial Expert“ im Aufsichtsrat vor. Allerdings greift die Annahme, dieser allein könne wirtschaftliche Fehlentwicklungen im Unternehmen stoppen, zu kurz. Mindestens ebenso wichtig ist das tiefgreifende Verständnis des Geschäftsmodells, des Wettbewerbs und des regulativen Umfelds. Nur so lassen sich die unternehmerischen Risiken zutreffend einschätzen.

…Ein Mix aus CEO-Erfahrung, Bilanzierungskenntnissen, internationaler Herkunft und Frauenquote ergibt eben noch keinen funktionierenden Aufsichtsrat. Stattdessen muss zuallererst Klarheit über die Aufgaben eines Aufsichtsrats herrschen.

Natürlich soll das Gremium den Vorstand kontrollieren. Der Aufsichtsrat ist aber auch daran zu messen, ob er in der Lage ist, das Management mit Rat (und Tat) zu begleiten. Sicherlich ein Unterfangen, das sich nicht per Dekret verordnen lässt. Woran fehlt es also?

Verständnis: Vertreter der Anteilseigner haben oft nur eine oberflächliche Außensicht auf das Unternehmen, während die Arbeitnehmervertreter detailliert über Unternehmensabläufe, Produkte, Arbeitsplatzsorgen informiert sind. Ihr Rat scheint damit oft legitimierter und wertschaffender als der der Kapitalseite.

Verbundenheit: Viele Aufsichtsräte besitzen – obwohl sie die Interessen der Anteilseigner vertreten sollen – überhaupt keine Anteile am Unternehmen. Eindringtiefe und Stringenz der Argumente in der Diskussion lassen daher oft zu wünschen übrig. Es fehlt schlicht an Betroffenheit – und so werden strategische Entscheidungen, Dividendenbeschlüsse oder die Besetzung von Vorstandsposten unter Umständen mit leichter Hand „durchgewinkt“.

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